ztTalk: Würgen Gas- und Strommangel unsere Wirtschaft ab?

Am Rande des Tages der regionalen Wirtschaft empfing das ZT-Talk-Team diese Woche drei Gäste zum Gespräch: Peter Gehler, den Präsidenten des regionalen Wirtschaftsverbandes, Beat Bechtold, den Direktor der Aargauischen Industrie- und Handelskammer sowie die CS-Makroökonomin Franziska Fischer. Sie hatten viele schlechte Nachrichten – aber auch einige gute.

Peter Gehler, der Präsident des Verbandes Wirtschaft Region Zofingen (WRZ), ist bekannt für markige Worte. In diesem Jahr wurde er am Tag der regionalen Wirtschaft besonders deutlich. «Es ist bereits Krise», sagte er im Hinblick auf den drohenden Gas- und Strommangel. «Wir haben noch drei, vier Monate Zeit, bis es ernst wird.» Der Bundesrat aber nehme das Ruder nicht in die Hand. «Er führt nicht. Er ist bereits zu spät dran», so Gehler. Sorgen bereiten ihm vor allem die drohenden Engpässe beim Gas und beim Strom. «Haben wir Pläne für diese Situation? Dann wüssten wir auch, was auf uns zukommt.» Es stehe auch die Frage im Raum, welche Rolle die privaten Haushalte und welche Rolle die Industrie spielten, sagt Gehler im ZT-Talk. «Es kann nicht sein, dass Maschinen stillstehen und wir gleichzeitig alle Wohnungen auf 23 Grad heizen dürfen. Wir müssen Szenarien entwickeln, dass alle am gleichen Strick ziehen – und versuchen, die Schäden möglichst klein zu halten.» Irgendwo müsse gespart werden. «Es kann nicht sein, dass wir dort ansetzen, wo wir unsere Löhne verdienen. Man muss dort ansetzen, wo es am wenigsten wehtut. Wenn die Wohnung 21 statt 23 Grad warm ist, dann tut das nicht so weh. Auch wenn Pools und Hallenbäder nicht mehr geheizt werden können, ist das nicht so schlimm, wie wenn Maschinen stillstehen und unsere Unternehmen in eine Krise rutschen.»

«Ein Drittel des Gases wird in der Wirtschaft gebraucht», sagt AIHK-Direktor Beat Bechtold im ZT-Talk. «Wenn diese Energieform nicht mehr vorhanden ist, kann das für ein Unternehmen existenzbedrohend sein.» Beim Strom sei die Wahrscheinlichkeit von Teilabschaltungen gross. «Eine sehr schwierige Situation», so Bechtold. Eine Variante sei, Notstrom-Aggregate anzuschaffen – «was wiederum bedingt, dass genug Treibstoff, sprich Diesel oder Heizöl, vorhanden ist.» Er wisse von Unternehmen, die bereits Lager anlegten und Heizöl kaufen, damit sie bei einer Abschaltung auf der sicheren Seite sind. Vorausschauend hätten einige Unternehmen bereits in Notstrom-Aggregate investiert.

Auch die CS-Makroökonomin Franziska Fischer bezeichnet den Gas-Engpass als grösstes Risiko für die Konjunktur. Ganz oben bei den Risiken «stehen die Lage auf dem europäischen Gasmarkt und generell die Energiepreise», so Fischer. Der Gasmangel in Europa könne eine Rezession verursachen. «Niemand kann verlässlich prognostizieren, wie sich Russland als Gaslieferant verhalten wird.» Eventuell müssten Unternehmen ihre Produktion herunterfahren, weil es zu wenig Gas gibt – «eventuell tun sie es schon vorher, weil die Preise gestiegen sind». – «Das ist für die Wirtschaft Gift, und es ist fürs Konsumklima Gift.»

Laut Fischer gibt es dagegen diverse Indikatoren, die auf die Entspannung bei den Lieferketten hinweisen: Lieferfristen, Einkaufspreise und Frachtraten seien rückläufig. «Es wird noch dauern, bis das bei den Konsumenten ankommt.» Unsicher sei zudem, wie sich die jüngsten Lockdowns in China auswirken werden. «Aber den grossen Höhepunkt haben wir wahrscheinlich Anfang Jahr überschritten – das sind positive Nachrichten für die Zukunft.» Jahrelang hätten Unternehmen nach dem Just-in-Time-Konzept produziert: so billig wie möglich, so wenig Lagerhaltung wie möglich. «Davon kommt man weg. Unternehmen fangen an, Sicherheitspuffer aufzubauen, die Lagerhaltung zu vergrössern und Lieferanten in der Nähe zu suchen.»

Fischer ist zudem überzeugt, dass die Inflation im nächsten Jahr wieder ins Zielband der Nationalbank kommen wird, also deutlich unter zwei Prozent liegen wird. Das liege daran, dass die Bremswirkung der Zentralbanken weltweit wirken und sich die Konjunktur abkühlen werde. Klar zu erwarten sei, dass die Nationalbank die Zinsen im September nochmals um 0,5 Prozent erhöhen werde, und dann im Dezember in einem weiteren Schritt um 0,25 Prozent. «Dann landen wir Ende des Jahres bei 0,5 Prozent – dabei wird es unserer Ansicht nach erst einmal bleiben.»